Vor 90 Jahren, am 2. Juli 1934, schlossen die Kommunistische Partei und die Sozialdemokratische Partei des Saargebietes das antifaschistische Einheitsfrontabkommen gegen die Eingliederung des Saargebietes in das faschistische Deutsche Reich. Entsprechend dem Versailler Vertrag von 1919 war das Saargebiet für 15 Jahre aus dem Reich ausgegliedert und unterstand einer Regierungskommission des Völkerbundes. Für den 13. Januar 1935 war eine Volksabstimmung über die weitere Zukunft des Saargebiets angesetzt. Zur Abstimmung standen Rückgliederung in das Deutsche Reich, Eingliederung in die Republik Frankreich oder weiterhin Beibehaltung des Status Quo, die Verwaltung durch die Regierungskommission. Der Status Quo war unter der saarländischen Bevölkerung äußerst unbeliebt. Der Landesrat (Landesparlament) hatte keine gesetzgebende Gewalt, die kommunale Selbstverwaltung war stark eingeschränkt. Die Bergwerke standen unter französischer Verwaltung. Alle politischen Parteien, außer einer kleinen Frankreich-orientierten, die Gewerkschaften und Kirchen lehnten den Status Quo ab und setzten sich für die Wiedervereinigung mit dem Reich ein. Zunächst änderte sich dies auch nicht nach der Machtübergabe an die Nazis am 30. Januar 1933. Erst allmählich setzte sich in den Reichs-Leitungen von SPD und KPD die Erkenntnis durch, dass die faschistische Herrschaft gefestigt ist und nicht kurzfristig überwunden werden könne.
Fast anderthalb Jahr seit der Machtübergabe an die Nazis und dem kurz darauf folgenden Verbot von KPD und SPD brauchte es, bis die Arbeiterparteien im Saargebiet ihre Gegensätze überwanden und zum gemeinsamen Widerstand gegen den Faschismus zusammenfanden. Die Einheitsfront führte zu einem bedeutenden Anwachsen der Bewegung für den Status Quo. Die Jugendverbände KJVD und SAJ und später die Gewerkschaften, katholische Kreise um Johannes Hoffmann schlossen sich der Einheitsfront an. Politische Emigranten informierten über die Situation im Reich, emigrierte Künstler aus dem Reich unterstützten. Mit Massenkundgebungen und Demonstrationen mobilisierte die Arbeiterbewegung für den Status Quo, gegen Hitler.
Letztlich jedoch konnte die Einheitsfront die verbreitete Ablehnung des Status Quo und das tief verwurzelte Nationalgefühl nicht überwinden. Nur knapp 10% stimmten für den Status Quo. Die Bevölkerung des Saargebietes gliederte sich ein in das Deutschland der Konzentrationslager. In der Nachbetrachtung kann leicht gesagt werden, sie konnte nicht gewinnen. Doch die Einheitsfront im Saargebiet war ein Beispiel gemeinsamen Widerstandes gegen einen mächtigen Gegner. Sie vermittelte international Anregungen bei der Bildung der Volksfront in Frankreich, in Spanien und weiteren Ländern. Im Widerstand gegen Rechts, gegen faschistische Bestrebungen, gegen Abbau demokratischer Rechte kann sie auch heute Anregungen vermitteln.
Der Text des Abkommens spricht für sich, für ein bemerkenswertes gesellschaftspolitisches Bewusstsein. Wir dokumentieren den Text aus: Luitwin Bies: Klassenkampf an der Saar, Verl. Marxist. Blätter, Frankfurt a.M. 1978. Selbst in einschlägiger Literatur ist der Text nicht veröffentlicht.
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