ZF Saarbrücken: Zukunft des Standorts durch Lohnverzicht?

Die fortlaufenden Erpressungen von Belegschaften, versteckt unter dem schönen Wort „Standortsicherung“, machen auch vor dem größten Industriebetrieb im Saarland nicht halt. Wie in allen anderen Industriekonzernen sollen die Belegschaften die Investitionen für die ökologische Transformation und die Entwicklung neuer Produkte maßgeblich mitfinanzieren. Dabei sinkt der Anteil der Beschäftigten am durch sie selbst erst geschaffenen Wert in der Industrieproduktion schon jetzt stetig – erkennbar an der fallenden Lohnquote, also dem Anteil der Löhne an den Produktionskosten.
Monatelang hatte die Konzernführung die Beschäftigten im Unklaren über ihre Zukunft gelassen – die Ängste wuchsen und offensichtlich auch die Bereitschaft zu weiteren Zugeständnissen. Im Sommer 2022 wurde nun eine Zukunftsvereinbarung für den Standort Saarbrücken und seine rund 9.000 Beschäftigten geschlossen. Die bereits bestehende Beschäftigungssicherung wird bis zum 31. Dezember 2025 verlängert, neue Produktlinien sollen im Bereich der E-Mobilität entstehen. Dafür müssen die Arbeitenden tief in die Tasche greifen: Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und angesichts der hohen Marktunsicherheiten wird die Arbeitszeitflexibilität weiter erhöht, werden neue Schichtmodelle und erweiterte Möglichkeiten zur temporären Reduktion der Arbeitszeit eingeführt; ein neues Mehrkontenmodell wird ausgearbeitet.
Zudem wird am Standort Saarbrücken auf Vorschlag der IG Metall ein sogenannter Zukunftsfonds eingerichtet, dessen Mittel in die Ansiedlung neuer Produkte fließen. Dieser Zukunftsfonds speist sich aus einer Anpassung der Entgeltlinien, die für alle zukünftigen Neueinstellungen gilt. Über die Verwendung des Fonds entscheiden Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam.
Wieder einmal wird eine Belegschaft durch Erpressung zu Lohnverzicht genötigt. Und statt eine dringend notwendige Ausweitung der Mitbestimmung über alle Investitionen im Konzern auf die Tagesordnung zu setzen, bestimmt nun die Konzernführung über die von den Arbeitenden finanzierten Fondgelder mit. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust ist längst zu einer sprudelnden Quelle für Extragewinne der Aktionäre und Konzernführungen geworden – erst recht in einer Krise wie der aktuellen.
Wie können diese Erpressungen zukünftig verhindert werden?
Es ist höchste Zeit, dass Betriebsräte und ihre Gewerkschaften diese Zustände nicht länger schönreden sondern offenlegen und skandalisieren. Was ist das denn für eine Gesellschaft, in der ständig von Demokratie gesprochen wird, hinter den Werkstoren aber die Diktatur des Kapitals herrscht? Wir brauchen dringend neue politische Ansätze, um das Kräfteverhältnis der Macht zugunsten der Arbeitenden zu verändern. Hierzu gehören folgende Forderungen:
Verbot betriebsbedingter Kündigungen in der gesamten Transformationsphase bis 2030
Bildung von regionalen Transformationsräten aus Vertreter*innen von Belegschaften, Gewerkschaften und Umweltinitiativen mit umfassenden Mitwirkungsrechten
Bildung einer öffentlich rechtlichen Gesellschaft des Saarlandes zur Förderung des sozialökologischen Umbaus der Wirtschaft im Saarland unter Beteiligung der Arbeitskammer und des DGB-Saar mit Mitbestimmungsrechten; Aufgaben und Kompetenzen sind u.a.: Vergaben von Fördermitteln an Betriebe, Organisierung beruflicher Weiterbildung und Qualifizierung der Belegschaften
Fördergelder für die Transformation in Unternehmen nur bei deutlicher Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Belegschaften und Erhalt der Arbeitsplätze
Statt Standortschließungen sind alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Zukunft der Belegschaften zu sichern! Denkbar sind Betriebsübernahmen durch Belegschaften (zum Beispiel für einen symbolischen Euro) und Genossenschaftslösungen, die staatlich gefördert werden müssen, sowie eine Anbindung an die Strukturholding Saar. Diese muss als arbeitsmarktpolitisches Instrument für den sozialökologischen Umbauprozess neu definiert und entwickelt werden.

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